Verdachtsunabhängige Kontrollen/Ethnic Profiling

„Ethnic Profiling“ (auch „Racial Profiling“ genannt) beschreibt die Praxis, behördliche Maßnahmen mit Hilfe von Profilen durchzuführen, die auf Merkmalen wie Hautfarbe, ethnische Herkunft, Sprache, kultureller und religiöser Hintergrund beruhen.

Diese Vorgehensweise ist demnach von struktureller Diskriminierung geprägt. Die Konsequenzen und die Beurteilung des Ethnic Profiling hat der UN-Menschenrechtsausschuss in seiner Entscheidung in der Rechtssache Rosalind Williams Lecraft gegen Spanien (vom 17.08.2009 – Az.: CCPR/C/96/D/1493/2006) wie folgt zusammengefasst:

„However, when the authorities carry out such checks, the physical or ethnic characteristics of the persons subjected thereto should not by themselves be deemed indicative of their possible illegal presence in the country. Nor should they be carried out in such a way as to target only persons with specific physical or ethnic characteristics. To act otherwise would not only negatively affect the dignity of the persons concerned, but would also contribute to the spread of xenophobic attitudes in the public at large and would run counter to an effective policy aimed at combating racial discrimination.”

Zahlreiche Studien und Abhandlungen stützen die Feststellung des UN-Menschenrechtsausschusses über die individuellen und/oder gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Verfahrensweise.

Die Praxis des Ethnic Profiling kommt in vielen Ländern zum Einsatz. So zeigte sich die EU-Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) in ihren jährlichen Jahresberichten besorgt über den Einsatz derartiger Praktiken in Österreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Russland, Spanien, Schweden, Schweiz, Ukraine und Großbritannien (vgl. ENAR, Fact Sheet Ethnic Profiling, S. 9). Zahlreiche weitere Organisationen wie die UNO, der Europarat, die Europäische Kommission, nationale und internationale Verbände üben schon langem heftige Kritik an dieser Verfahrensweise. Selbst die deutsche Bundesregierung teilte im Rahmen einer kleinen Anfrage mit, dass eine unterschiedliche Behandlung von Personen in Abhängigkeit von Rasse, Herkunft oder Religion im Bundespolizeigesetz sowie den weiteren für die Bundespolizei geltenden Vorschriften und Erlassen schon deshalb nicht enthalten seien, weil solche Methoden unvereinbar mit dem Verständnis von Polizeiarbeit in einem demokratischen Rechtsstaat seien (BT Drs. 17/677, S. 1 f.).

Zudem wird diese Praxis auch als ineffektiv eingestuft. Dies hat sich in Deutschland nicht zuletzt an der Rasterfahndung in den Jahren 2001 – 2004 gezeigt, die zur Abwehr von Terrorismus eingesetzt wurde. Dabei wurden die Daten von 8,3 Millionen Personen erfasst und gefiltert. Dies führte allerdings zu keiner einzigen Auffindung eines Extremisten.

Im Fokus der Öffentlichkeit in Deutschland ist das Problem des Ethnic Profiling durch das Urteil des VG Koblenz vom 28.02.2012 – 5 K 1026/11.KO gerückt. Das Gericht wies die Klage eines deutschen Studenten ab, der aufgrund seiner Hautfarbe von Beamten der Bundespolizei im Rahmen einer Zugreise kontrolliert wurde. Nach Auffassung des Gerichts sind die Beamten auf Grundlage des § 22 Abs. 1 a BPolG berechtigt, in den Zügen befindliche Personen „ereignis- und verdachtsunabhängig“ auch aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds zu kontrollieren. Anders beurteilte dies das OVG Koblenz (Pressemitteilung Nr. 30/2012) in zweiter Instanz. Dieses hielt solche Kontrollen für rechtswidrig, weil sie gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 3 Abs. 3 GG verstießen.

Das Problem des Ethnic Profiling wird in erster Linie auf die Herkunft einer Person bezogen. Es zeigt sich allerdings, dass zunehmend Muslime allein aufgrund ihrer Religion von polizeilichen bzw. ordnungsbehördlichen Maßnahmen betroffen sind. Zu denken ist etwa an die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen. Auch wurden bspw. muslimische Männer allein wegen ihres Bartes als potentielle Gefahr eingestuft und mussten sich einer polizeilichen Befragung unterziehen.

Inwiefern sich eine solche Praxis mit verfassungsrechtlichen, europa- und völkerrechtlichen Vorgaben vereinbaren lässt, ist höchst fraglich.