Benachteiligung im Rahmen von ausländerrechtlichen Entscheidungen

Diskriminierungen im Rahmen von ausländerrechtlichen Entscheidungen bzw. Verfahren werden vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht erfasst, obwohl es sich um einen „typischen“ Bereich von Diskriminierungen handelt. Einschlägig sind in diesem Zusammenhang vielmehr allgemeine Gleichbehandlungsgebote bzw. Diskriminierungsverbote nach dem Verfassungs-, dem Europa- sowie dem Völkerrecht.

Ziel von FAIR international e. V. ist es, eine rechtliche Klärung der nachfolgenden Themen herbeizuführen und damit für Betroffene konkrete Handlungsoptionen zu entwickeln.

Juristische, politische und gesellschaftliche Bedenken gegen die staatsangehörigkeitsrechtliche Optionspflicht des § 29 StAG werden seit ihrem Bestehen geltend gemacht. Die Bundesregierung hat nun im Mai 2014 einen Entwurf hat zur Änderung der Optionspflicht vorgelegt. Folge der Neufassung des § 29 StAG ist in ihrem Kernpunkt ein Wegfall der Optionspflicht für einen großen Teil der bisher davon Betroffenen. Dies gilt zum einen für Personen, welche die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der EU oder der Schweiz besitzen. Ferner gilt dies auch unter anderem dann, wenn der Betroffene sich bis zum 21. Lebensjahr mehr als acht Jahre in Deutschland aufgehalten, sechs Jahre in Deutschland eine Schule besucht oder in Deutschland einen Schul- oder Berufsabschluss erworben hat. Daneben soll eine Person auch als im Inland aufgewachsen gelten und damit nicht der Optionspflicht unterliegen, wenn sie über einen vergleichbaren engen Bezug zu Deutschland verfügt und wenn zugleich die Optionspflicht für sie eine besondere Härte bedeuten würde.

Dennoch bleibt eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen, welche jus-soli die die eine deutsche und zugleich eine weitere Staatsangehörigkeit (jus-soli-Deutsche) erworben haben, weiterhin von der Optionspflicht und einem möglicherweise damit verbundenen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit betroffen.

Die geplante Neuregelung bleibt in verfassungs-, völker- und europarechtlicher Hinsicht problematisch. Insbesondere die Ungleichbehandlung der danach Optionspflichtigen gegenüber einer Reihe von Personengruppen ist problematisch.

Die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen oder Ausländer setzt nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG voraus, dass sich der Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Mit dem im Jahr 2007 eingeführten Erfordernis verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Integration von Ausländern zu fördern und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Gegen die Regelung wurden und werden verfassungs- und europarechtliche Bedenken erhoben.

Dennoch hat das BVerwG mit seinem Urteil vom 30.03.2010 – BVerwG 1 C 8.09 die Regelung als mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK vereinbar erklärt, da damit legitime Ziele verfolgt werden. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Dass allerdings die vorgenannten Ziele mit dem Erfordernis des § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erreicht werden können, ist zweifelhaft. So existieren keine empirischen Kenntnisse, dass das Erfordernis, deutsche Sprachkenntnisse vor der Einreise nachzuweisen, zu einer Verhinderung von Zwangsheiraten führt bzw. geführt hat.

In Hinblick auf dem Nachzug zu deutschen Ehegatten hat das BVerwG mit Urt. vom 04.09.2012 – 10 C 12.12 festgestellt., dass das Erfordernis des Nachweises deutscher Sprachkenntnisse nur noch eingeschränkt gelte. Von diesem Erfordernis vor der Einreise sei abzusehen, wenn Bemühungen um den Spracherwerb im Einzelfall nicht möglich, nicht zumutbar oder innerhalb eines Jahres nicht erfolgreich sind. Weiterhin ist der Sprachnachweis beispielsweise nicht in Bezug auf den Zuzug zu einem EU Bürger zu erbringen. Die Ungleichbehandlung von Ehegatten dieser bzw. deutscher Staatsbürger und Ehegatten ausländischer Staatsbürger lässt sich kaum nachvollziehen.

In Hinblick auf türkische Staatsbürger ist vor allem die Vereinbarkeit mit der Stillhalteklausel, Art. 13 ARB 1/80 fraglich. Nach der assoziationsrechtlichen Stillhalteklausel ist es den Vertragsstaaten generelle untersagt, neue innerstaatlicher Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an, zu dem der ARB 1/80 im EU-Aufnahmemitgliedstaat in Kraft getreten ist, einzuführen. Von dem Verschlechterungsverbot werden auch Familienangehörige des türkischen Staatsangehörigen erfasst.

Zwischenzeitlich hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Zudem hat das Verwaltungsgericht Berlin am 25.10.2012 beschlossen, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob das Erfordernis des Sprachnachweises beim Ehegattennachzug gegen das Europarecht verstößt. Nach Ansicht des Generalanwalts ist das Erfordernis des Sprachnachweises weder mit der Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei noch mit der Richtlinie über die Familienzusammenführung vereinbar.

Die Diskriminierung türkischer Staatsbürger zeigt sich nicht nur bei der Frage des Ehegattennachzugs, sondern auch bei der erstmaligen Einreise nach Deutschland. So werden Visumsanträge in der Türkei häufiger abgelehnt als in anderen Ländern. Im Jahr werden rund 172.000 Visumsanträge für Reisen nach Deutschland gestellt. Davon wird jedes zehnte Gesuch abgelehnt.

Bis zum Jahr 1980 konnten türkische Staatsbürger noch visumfrei nach Deutschland einreisen. Danach wurde zunächst die Visumspflicht für die Einreise zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten, die die Dauer von zwei Monaten nicht überschreiten, eingeführt. Weiterhin folgte aus der Umsetzung einer EU-Verordnung, dass türkische Staatsbürger, die sich für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen in das Bundesgebiet begeben, ein Visum benötigen. Erfasst werden somit von der Visumspflicht kurzzeitige Aufenthalte zu touristischen sowie zu geschäftlichen Zwecken.

Vor dem Hintergrund der Stillhalteklauseln des Art 41 Abs. 1 Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommens zwischen der Türkei und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wird die (uneingeschränkte) Visapflicht seit jeher kontrovers diskutiert.

Eine (rechtlich) kaum beachtete, aber für Betroffene sehr relevante Thematik stellen die sogenannten Sicherheitsbefragungen dar. Diese Art der Befragung ist sowohl im Rahmen einbürgerungsrechtlicher als auch aufenthaltsrechtlicher Verfahren relevant. Sie dienen – zumindest vordergründig – der Klärung sicherheitsrelevanter Bedenken.

Die Ausländer- bzw. Einbürgerungsbehörden gehen dabei unterschiedlich vor. In einigen Bundesländern wird die Sicherheitsbefragung unter Verwendung eines (Standard)Fragebogens durchgeführt. Wieder andere Bundesländer sehen – allein oder zusätzlich zu einer schriftlichen Stellungnahme – ein Sicherheitsgespräch vor.

Die Praxis der Sicherheitsbefragung lässt zuweilen eine systematische Diskriminierung bestimmter Personengruppen erkennen. So laden Behörden Ausländer allein aufgrund einer bestimmten Religionszugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit zu einem Sicherheitsgespräch und befragen sie besonders gezielt und intensiv. Grundsätzlich dürfen Sicherheitsbefragungen aber nicht auf die Stigmatisierung von Angehörigen bestimmter Religionen, Nationalität oder Rasse hinauslaufen.

Problematisch ist vor allem der Inhalt der Befragungen. So werden die Betroffenen mit „Gesinnungsfragen“ zu ihrer politischen, familiären, religiösen Einstellung konfrontiert.

Die Durchführung der Sicherheitsbefragungen kann daher insbesondere gegen nationale, europa- und völkerrechtliche Diskriminierungsverbote verstoßen.